Kennen Sie Tim Taylor, den Heimwerkerkönig? In den neunziger Jahren zeigte uns dieser Do-it-Yourselfer in seiner Sendung „Tool Time“, dass man ausgereifte Produkte immer noch ein bisschen besser machen konnte. Glücklich wie ein Kind zog er Bohrmaschinen, Schneepflüge oder Rasenmäher auf die Bühne, denen er – mit Erfolg – „mehr Power“ verpasste.
Der dänische Cousin von Taylor könnte Jens Quorning sein, „mehr Power“ hat bei Dragonfly Tradition und ist Programm zugleich. „Sport-“, „Extreme-“ und „Ultimate“-Versionen gehören seit jeher zum Portfolio der Werft, da wachsen die Masten um 1,5 Meter in die Höhe und Segelflächen ins Bizarre. Es war nur eine Frage der Zeit, wann auch dem beliebten 28er diese Kur bevorstand. Nach sieben Jahren Bauzeit war es 2018 dann so weit – und die YACHT-Tester rieben sich damals verblüfft die Augen.
Auf den ersten Blick sind beide Dragonfly-Generationen identisch
Neue Schwimmer, neue Ruderanlage, neues Schwert und 80 Kilogramm Mehrgewicht? Nett, sicherlich, chic auch, aber irgendwie flau. Oder passt das in die Zeit, wo man bei BMW ein M-Paket ordern kann, mit vielen Stickern und Schwellern, aber ohne Plus an Leistung? Was für ein Irrtum.
Ein Tag im Spätherbst, der Westwind treibt Schauerböen über das Land und reißt das letzte Laub von den Bäumen, die Wanten der Riggs pfeifen im Hafen von Skærbæk ein erwartungsvolles Lied. Nebeneinander in der Box liegen ein junger 28er in der bekannten Sport-Version, direkt daneben die neue Version namens „Performance“. Auf den ersten Blick ist alles identisch – Riggs, Segel, Außenborder am Heck und der Innenausbau sowieso.
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Hintereinander geht es aus der Box, die Schwimmer werden ausgeklappt – beim Swing-Wing-System von Dragonfly geschieht das per Winscheinsatz aus der Plicht heraus, und 43 Quadratmeter feinstes Elvstrøm-Laminat wandern am Mast in die Höhe. Los geht’s auf den mit kleinen Schaumkronen überzogenen Koldingfjord.
Mit erstem Reff und Fock zieht der 28 Sport mühelos nach Luv. Wie auf Schienen spurt er an der Windkante entlang, reagiert willig auf Steuerbefehle, die Segel stehen wie zementiert – 8 Knoten, 9 Knoten, Gischt zieht über den Schwimmer in Lee. Ein wenig abfallen, 3, womöglich 4 Grad, schon werden die Werte auf der Logge rasant zweistellig. Eine Kreuz, die süchtig machen kann, was soll der Neue hier schon besser können.
Verlagssonderveröffentlichung
Der neue Dragonfly 28 kann alles besser
Alles. Es ist nicht die Höchstgeschwindigkeit, die den 28 Performance auf eine neue Ebene hebt, es ist das Gefühl, wie sich das ganze Schiff verhält. Wüsste man es nicht besser, man könnte den überarbeiteten Tri für eine Neukonstruktion halten. Ein Griff an die Pinne – und die Sache ist klar. Der Kopf des neuen, tieferen, dickeren und etwas stärker vorbalancierten Blatts wird jetzt in Lagern von Jefa geführt, was wähnen lässt, an Bord des kleineren Dragonfly 25 zu sein. Plötzlich genügen zwei Finger am Ausleger, um den Tri zu Richtungswechseln zu animieren.
Unterstützt wird das auch von den angekippten Schwimmern, die nicht parallel zum Mittelrumpf liegen, sondern an jeweils nach oben angestellten Beams hängen, pro Seite hebt sich der Querträger um zwölf Zentimeter. Das führt dazu, dass der luvwärtige Schwimmer schon bei wenig Lage aus dem Wasser kommt und sich so auch der Widerstand im Wasser zügig reduziert. Vom Grand Tourer zum agilen Sportler mit so wenigen Modifikationen, das überrascht. Allerdings muss man diese Lebendigkeit auch mögen. Gerade Trimaran-Einsteiger könnten den eher ruhigen, kontrollierten Stil des Ursprungs-Setups schätzen, deshalb bleibt er auch weiterhin die Standard-Konfiguration des 28er. Im Vergleich Boot zu Boot heißt das: kein messbarer Vorteil in der Geschwindigkeit, aber trotzdem kann die Performance-Version immer wieder zu Überholmanövern ansetzen – weil die Lebendigkeit mehr dazu verleitet, aktiver den Wellen und Winddrehern hinterherzusegeln.
Die Performance-Version wirkt freier und lebendiger
An der Luvmarke heißt es dann: ausreffen, Gennaker setzen, Fock wegrollen. Nun stehen 126 Quadratmeter Segelfläche – Reffgrenze angesichts des Windes. Das Wasser des Fjords ist glatt, die Kabbelwelle keine 50 Zentimeter hoch: beste Bedingungen für Höchstgeschwindigkeiten. Auf der Vorwindkreuz kann man sich noch etwas arrangieren, das Cockpit aufräumen, dann geht es auf einen langen Halbwindkurs. Vollgas. 14, 15, 16 Knoten sind die Regel, 18, 19 Knoten auch kein Problem. Beide Boote schenken sich nichts, aber auch hier fährt der 28 Performance freier und lebendiger. Taucht beim 28 Sport der Lee-Schwimmer in einer Bö tiefer ein, zieht er eine große Gischtfahne hinter sich her, beschleunigt nicht weiter, die Lage nimmt zu, der Skipper bekommt die Rückmeldung, sich im Grenzbereich zu befinden.
Niemand käme bei den herrschenden Bedingungen auf die Idee, einen Gennaker zu setzen, mit Fock und Groß liefen beide Boote kaum langsamer nach Lee. Aber es sind diese Umstände, die die Seele des überarbeiteten 28ers erkennen lassen. Mit seinem Wavepiercer-Design und dem komplett umverteilten Volumen verleihen die neuen Schwimmer dem Boot eine ganz andere Charakteristik. Eine Kombination aus längerer Wasserlinie und U-förmigem Spant sorgt für 22 Prozent mehr Auftrieb – und die kommen früh zum Tragen. Steckt der Schwimmer zur Hälfte im Wasser oder ist kaum noch dessen Deck zu erahnen – er entwickelt mit zunehmender Lage nicht mehr nennenswert zusätzlichen Auftrieb. Gleichzeitig wird aber auch sein Widerstand nicht größer, die spitz zulaufenden Steven schneiden mühelos durchs Wasser.
Foto: WerftDer neue Schwimmer wurde deutlich länger, die Vordersteven als Wavepiercer verbessern das Rauwasser-Verhalten spürbar
Für den Segler heißt das: Weniger Auf und Ab, längere Phasen an durchgehend hoher Geschwindigkeit, einfallende Böen werden einfach in noch mehr Vortrieb umgewandelt. Fühlt sich gut an – wenn man weiß, was man tut. Einen mahnenden Zeigefinger bekommt der Skipper erst deutlich später vom Schiff vermittelt, denn es segelt aufrechter, mit weniger Druck, weniger Show. Mehr Power? Operation gelungen.
Der neue Dragonfly verleitet zum Spiel mit dem Feuer
Nun kommt in der Sitcom nach dem Tuning regelmäßig das fatale Ende: der Rasenmäher außer Kontrolle, die Schleifmaschine in Flammen, der Heimwerkerkönig im Krankenhaus. Und Jens Quorning? Lächelt zufrieden, doch dieser Ritt auf Messers Schneide hätte auch anders ausgehen können. Während der 28 Sport einem mehr Ehrfurcht vor der Geschwindigkeit und den damit verbundenen Risiken vermittelt – bei 19 Knoten kommt ein Hindernis nun einmal sehr, sehr schnell näher, ist eine falsch eingeschätzte Bö, eine klemmende Großschot von größerer Gefahr, als wenn am Kiel eine Tonne Blei hängt –, verleitet der 28 Performance zum Spiel mit dem Feuer. Die Gewöhnung an das hohe Reisetempo erfolgt schnell und damit auch die Verlockung, die Grenzen immer weiter auszutesten. Klar, bei dem Spaß, den das macht!
Dass sich der getunte 28er auch unter Extrembedingungen bewährt, wenn der Skipper sein Handwerk versteht, zeigte im Herbst 2018 das stürmische Silverrudder. Bei der Einhand-Regatta setzte sich Dragonfly-Mann Henrik Bøje mit damals neuem Streckenrekord von 15 Stunden und 13 Minuten ein Denkmal. Der am schnellsten gesegelte Einrumpfer, eine XP-44, erreichte das Ziel vier Stunden später, war also gut 25 Prozent langsamer als Bøje mit seinem 28 Performance.
200.000 Euro sind viel für 28 Fuß – der Gegenwert ist unbezahlbar
Die Fahrkarte für mehr Spaß kostet den Trimaran-Fan 12.200 Euro; um diesen Betrag ist die Performance-Version teurer als das bisherige Topmodell Sport. Das bedeutet: 200.000 Euro sollte das Sparschwein hergeben, um das Ticket zu lösen. Dafür gibt es ein segelfertiges Boot inklusive Motor, aber ohne Elektronik. Zum Vergleich: Die „Touring“ genannte Basisversion mit kleinerem Alurigg ist bereits für 168.000 Euro zu haben. Für alle drei Modelle gilt: Bis es im Innenraum fahrtentauglich kommod zugeht, müssen noch einmal mindestens 5.000 Euro in Kocher, Kühlbox, Beleuchtung und Details investiert werden, ein Elektronik-Paket gibt es ab 2.800 Euro, der asymmetrische Spinnaker samt Bergeschlauch schlägt mit 3.200 Euro zu Buche. Kurzum: 10.000 weitere Euro sind schnell zusammen.
Foto: YACHT/M.-S. KreplinDer Salon wird vom Schwertkasten geteilt, die zum Bett umbaubaren Sitzbänke bieten auch einer großen Crew viel Platz
Dafür gibt es im Innenraum Platz für zwei und zwei Gäste, bei der Innenaufteilung hat sich nichts geändert. Eine Vorschiffskoje mit 2,09 Meter Länge und 1,60 Meter Breite ist für ein solches Boot ordentlich, der Salon erscheint ebenfalls großzügig. Das gelingt durch den Einsatz von hellem Ahornholz und große Fensterflächen, die Pantry ist auf beide Seiten des Niedergangs verteilt. Kinder oder Gäste finden unter dem Plichtboden eine weitere Schlafstatt, eine einfache Nasszelle steht zwischen Vorschiffsschott und Salon zur Verfügung. Für viel mehr ist weder Raum noch Platz in der Gewichtsbilanz, mit 2,18 Tonnen fliegt der 28er ohnehin an der Grenze der Trailerbarkeit.
Die Performance-Version wurde gezielt verstärkt
Ein Dragonfly trägt kein überflüssiges Gewicht. Zwar ist alles so konstruiert und produziert, dass es den zu erwartenden Lasten standhält, doch wo kein großer Materialeinsatz nötig ist, gibt es ihn auch nicht. Und das erklärt auch, warum die Performance-Version beim Gewicht zugelegt hat: Um die höheren Lasten durch den größeren Auftrieb der Schwimmer zu kompensieren, wurde das Rigg verstärkt und mit breiteren Salingen versehen; auch der Ruderkopf wurde massiver gestaltet. Weil man schon dabei war, im Detail zu schleifen, erhielt das Schwert eine neue Form samt Abrisskante an der Unterseite, zugleich kann der Schwertkasten während der Fahrt komplett geschlossen werden, um eine bessere Hydrodynamik zu erzielen.
„Mehr Power“ – dank ebendiesem Detail-Tuning hätte nun auch Tim Taylor seinen Spaß am Dragonfly 28.
Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 24/2018
Technische Daten Dragonfly 28
- Konstrukteur: J. Quorning
- Rumpflänge: 8,90 m
- Länge gefaltet: 10,40 m
- Breite: 6,50/2,54 m
- Tiefgang: 0,40–1,70 m
- Gewicht: 2,2 t
- Großsegel: 43,0 m²
- Vorsegel: 21,0 m²
- Preis: ab 198.600 Euro (Stand Q4/2018)
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